Brustzentrum ≠ Brustzentrum

von Marcus Beyer

Wo können Frauen sowohl bei Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchungen als auch bei der Therapie von Brusterkrankungen eine optimale Qualität erwarten? So genannte „Brustzentren“ geben jedenfalls an, sich auf die Diagnose und Behandlung von Brusterkrankungen spezialisiert zu haben. Die Bezeichnung „Brustzentrum“ ist jedoch nicht geschützt. Demnach kann sich jede Klinik damit schmücken, ohne dass dies etwas über Qualität aussagen muss.

Zertifizierte Brustzentren

Die Deutsche Krebsgesellschaft hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Senologie einen Anforderungskatalog spezifiziert, die ein „Zertifiziertes Brustzentrum“ erfüllen muss.

Solch zertifizierte Brustzentren gibt es mittlerweile über 100 in Deutschland. → Liste

Interessanterweise kritisiertEuropa Donna“ – eine von der EU geförderte europäische Koalition gegen Brustkrebs – dieses Zertifikat, weil es nicht den Forderungen des Europäischen Parlaments genügt:

1. Interdisziplinäre Fallkonferenzen
„Die EU-Leitlinien schreiben vor, dass jeder Fall von Brustkrebs sowohl prä- wie postoperativ im interdisziplinären Team beraten werden muss. Denn nur so ist eine optimale Behandlungskompetenz für jeden individuellen Fall abrufbar. Doch die Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft machen hier erhebliche Abstriche, die auf Kosten der Patientinnen gehen: Für das erste Jahr schreiben sie gar keine Mindestzahl fest. Nach einem Jahr muss lediglich erfüllt sein, dass 20% der Fälle interdisziplinär beraten werden. Und nach drei Jahren müssen es dann 50% sein. Auch das ist zu wenig! Denn das heißt, dass immer noch 50% aller Frauen durch den Rast fallen. Für diese Frauen bleibt ihre Behandlung weiterhin ein Glückspiel.“
2. Fallzahlen
„Aus guten Gründen fordern EUSOMA und Europäisches Parlament, dass in einem Brustzentrum pro Jahr mindestens 150 Operationen von erstdiagnostiziertem Brustkrebs durchgeführt werden müssen. Pro Operateur müssen es mindestens 50 sein. Nur so wird sichergestellt, dass in dem Team ein hohes Maß an Know-how entwickelt wird und dass die Kosten bei hohem Qualitätsmaßstab so niedrig wie möglich gehalten werden. Doch die Deutsche Krebsgesellschaft teilt dieses Ziel nicht. Zwar schreibt auch sie die Mindestzahl von 150 Erstoperationen pro Jahr und 50 pro Chirurg fest - doch laut ihren Standards können diese dezentral, also aus verschiedenen Kliniken, erbracht werden. Die so zusammengebrachte Zahl führt letztlich dazu, dass in vielen Regionen alles beim Alten bleibt.“
3. Spezialisierung der Operateure und Operateurinnen
„Es ist erklärtes Ziel von EUSOMA und dem Europäischen Parlament, mittel- und langfristig eine Spezialisierung der Operateure zu erreichen, um sowohl einen optimalen Heilungserfolg als auch ein optimales kosmetisches Ergebnis zu sichern. Letztlich sollen längerfristig die Operateure - wie dies bereits in einigen EU-Staaten und in einigen wenigen deutschen Brustzentren der Fall ist - ausschließlich Brust operieren. Gynäkologen/innen, die eine Geburt hervorragend zu begleiten wissen, sind nicht automatisch exzellente Brustspezialisten. Doch die Deutsche Krebsgesellschaft sieht das ganz anders. Ein solches Ziel findet in ihren Kriterien nicht einmal Erwähnung.“

EUSOMA-Zertifikat

Daraufhin entwickelte EUSOMA – die Europäische Gesellschaft für Brustkunde – ein Zertifizierungsverfahren auf Grundlage deutlich strengerer Anforderungen und zertifizierte damit etwa 20 Kliniken. → Liste.

Europa Donna kritisiert jedoch das Zertifizierungsverfahren von EUSOMA als „zu intransparent und nicht objektiv“. Es würde den hohen EU-Standards nicht gerecht.

„Damit entstand eine Situation, die noch heute besteht: Auf der einen Seite stimmen die Qualitätskriterien nicht, nämlich bei der Deutschen Krebsgesellscahft. Und auf der anderen Seite, bei EUSOMA, stimmen die Qualifizierungskriterien, ist aber das Zertifizierungsverfahren nicht tragbar. Dass beide Seiten munter weiter zertifizieren, anstatt vor allem mehr Qualität einzufordern, bedeutet, dass hier knallharte Interessen- und Verbandspolitik betrieben wird – und das auf dem Rücken der Frauen.“

EU-Leitlinien

Basierend auf den EUSOMA-Anforderungen hat nun das EU-Parlament eigene strenge Leitlinien verfasst und im Januar 2006 veröffentlicht (Zusammenfassung). Als nächstes will sich die EU darum bemühen, die Akkreditierung für die Zertifizierung dieser Zentren zu regeln. Es bleibt also spannend …

Kernspintomographie

Neusten Erkenntnissen zufolge lassen sich Vorstufen von Brusttumoren mit Kernspintomographen viel zuverlässiger erkennen als mit den üblichen Röntgenapparaten (The Lancet, Bd. 370, S. 485). Dazu gibt es bereits mehr als 20 Studien. Jedoch ist solch eine Untersuchung mit rund 600 Euro deutlich teuer als die Mammographie, weshalb Kernspintomographie wahrscheinlich nicht von gesetzlichen Krankenkassen zur normalen Vorsorgeuntersuchung bezahlt werden wird.

Daher ist – je nach Geldbeutel und persönlicher Priorisierung – vielleicht auch die Frage relevant, welches Brustzentrum Vorsorgeuntersuchungen per Kernspintomographie auf private Rechnung anbietet. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es auf diesem Gebiet nur sehr wenige erfahrene Spezialisten gibt. Die Autorin des Lancet-Artikels und leitende Oberärztin an der Radiologischen Universitätsklinik Bonn Prof. Dr. Christiane Kuhl meint dazu:

„In order to evaluate the MRI scans, an experienced eye is needed. Too little use is made of the method in the field of breast imaging, so correspondingly there are too few radiologists who have been able to gain sufficient experience with this specific application.“

Außerdem ist diese diagnostische Methode auch nicht ganz unproblematisch: „Bei etwa 1,5 Prozent der Untersuchten zeigt das Kontrastmittel unerwünschte Nebenwirkungen, zum Beispiel allergische Reaktionen.“ warnt Prof. Dr. Stefan Delorme vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg.



Klarstellung: Obiger Text enthält keinerlei medizinischen Rat, sondern beschreibt lediglich eine persönliche Wahrnehmung.