Wurzelkanalbehandlung ≠ Wurzelkanalbehandlung

von Marcus Beyer

Ich musste feststellen, dass so eine Zahnwurzel nicht für die Ewigkeit gemacht ist. Sobald eine Zahnwurzel (bzw. das Zahnmark) für irreversibel geschädigt oder schlicht für tot erklärt wird, ist eine so genannte „Wurzelkanalbehandlung“ angesagt. Dabei werden die Wurzelkanäle gereinigt und anschließend mit einer speziellen Füllung versehen.

Irgendwann im Jahr 2005 hat mein Zahnarzt so eine Behandlung bei mir durchgeführt. Dass dies vielleicht keine so gute Idee war, ist mir mittlerweile klargeworden. Irgendwann in 2006 wurde am Röntgenbild klar, dass diese Behandlung nicht erfolgreich war. Als nächstes sollte eine so genannte „Wurzelspitzenresektion“ an dem betroffenen Zahn geschehen. Dabei werden die betroffenen (massiv von Bakterien besiedelten) Wurzelspitzen chirurgisch enfernt – in der Hoffnung, dass die restliche Füllung gut genug ist, um eine weitere Besiedlung zu verhindern.

Da Berichten von Freunden und Bekannten zufolge eine Wurzelspitzenresektion eine extrem unangenehme Erfahrung sein kann, begann ich das Thema genauer zu recherchieren. Wie sich dabei herausstellte, ist so eine Wurzelspitzenresektion nicht ganz ungefährlich. So können Nerven beschädigt werden (taube Lippe), Blutgefäße können beschädigt werden, der Zahn kann sich lockern, usw.

Um so interessierter las ich, dass es eine Alternative dazu gibt: nämlich eine „Revision“ der Wurzelkanalbehandlung (auch orthograde Revision genannt) – also ein zweiter Versuch. Diese wird vorzugsweise von einem Spezialisten – einem „Endodontisten“ bzw. „Endodontologen“ – unter Zuhilfenahme eines Operationsmikroskops durchgeführt. Die Idee dahinter ist nämlich: die konventionelle Behandlung war nicht gut genug, um eine Besiedlung zu verhindern. Das lässt sich vielleicht besser machen.

Also entschied ich mich für eine solche Revision. Unter den Spezialisten wählte ich einen, der einerseits zertifiziert ist und andererseits einen guten Eindruck auf seiner Website macht.

Als erstes musste ich die schlechte Nachricht schlucken, dass die Chancen noch weitaus besser wären, wenn schon die erste Wurzelkanalbehandlung vom Spezialisten mit dem Operationsmikroskop durchgeführt worden wäre. Diese Information hätte ich gerne von meinem Zahnarzt bekommen – vor der ersten Wurzelkanalbehandlung …

Die Behandlung unterschied sich in der persönlichen Wahrnehmung radikal von der Behandlung vom normalen Zahnarzt. So gab es unter anderem spezielle Bohrwerkzeuge, die mit niedriger Geschwindigkeit auch innerhalb der winzigen Maßstäbe der Wurzelspitzen arbeiteten. Alles wurde per Mikroskop und anderer Geräte verfolgt und kontrolliert bzw. gemessen. So gab es jeweils ein akustisches Signal, wenn die Wurzelspitze erreicht wurde. Das Geschehen konnte ich teilweise über ein Display mitverfolgen. Der Spezialist kommentierte seine Aktionen und den Fortschritt.

Die Behandlung des normalen Zahnarztes dagegen erschien mir wie eine grobe Hauruck-Aktion aus dem Mittelalter. Anstatt winziger Bohrer gab es eine kleine, aber vergleichsweise grobe, Feile. Anstatt Messungen der jeweils erreichten Tiefe (und Nähe zur Wurzelspitze) gab es ein einfaches Raten – was leider ziemlich weit daneben lag. Mangels Mikroskop und Expertenwissen ist es mehr oder weniger Glückssache, ob der Zahnarzt auch alle Kanäle findet.

Ergebnis: der Zahn hatte vier Wurzelkanäle. Davon waren nur drei gefüllt. Den vierten Kanal hatte der normale Zahnarzt übersehen – was wohl ohne Operationsmikroskop sehr häufig passieren soll. Von den drei Füllungen ging keines richtig bis zur Spitze. Dieser Befund war Grund genug für ein Scheitern der ersten Behandlung – und auch der vorgeschlagenen Wurzelspitzenresektion. Die Chancen für eine Heilung stehen recht gut. Diese könne aber bis zu vier Jahre dauern. Kontrollen sollten halbjährlich durchgeführt werden.

Die Kosten (über 1000 Euro) muss ich wohl selbst tragen. Die Kassen halten nichts von solch neumodischem Kram …

Klarstellung: Dieser Text enthält keinerlei medizinischen Rat, sondern ist lediglich ein subjektiv wahrgenommener Erlebnisbericht.

Nachtrag: Ich hatte nun mittlerweile insgesamt zwei Zähne, bei denen ein Spezialist jeweils eine Revision durchgeführt hat. Bei einem ist die Revision gelungen (und auch nach Jahren alles prima), beim anderen Zahn nicht. Dies hängt vermutlich auch damit zusammen, dass eine Revision grundsätzlich schwieriger ist (also geringere Erfolgsaussichten hat) als die erste Wurzelkanalbehandlung bei einem Zahn. Glücklicherweise habe ich für den nicht-geglückten Zahn einen sehr guten Kieferchirurgen gefunden, so dass die Wurzelspitzenresektion dann doch keine so große Sache war wie befürchtet.